Wintertief – Was tun, wenn alles zu viel wird?

Kathrin Erfahrungen 13 Comments

Im Herbst durchwanderte ich ein tiefes, schwarzes – ja ein tiefschwarzes Tief. Ich zweifelte an der Sinnhaftigkeit meiner Blogarbeit, verspürte den tiefen Wunsch nach einem zweiten Kind und gleichzeitig den Druck endlich wieder Geld verdienen zu müssen, suchte vergeblich nach alternativen Jobangeboten, erlebte aufgrund dessen nach fast 2,5 Jahren Stillzeit meine erste, fiebrige Brustentzündung, kämpfte gemeinsam mit Thomas und Kammerjägern (monatelang!) gegen Bettwanzen, die wir aus unserem Frankreichurlaub im Sommer eingeschleppt hatten, stritt mich mit befreundeten Mamas wegen den Aggressionen unseres Mädchens, fühlte mich unfassbar müde, war leicht reizbar und bekam scheinbar nichts auf die Reihe.
Ich war absolut am Ende und sah nur noch schwarz. Tiefstes schwarz.

Allerdings nicht das erste Mal in meinem Leben. Solche Tiefphasen gab es immer mal wieder, vor dem Studium, nach dem Studium, während der Schwangerschaft… Meist im Herbst oder Winter, wenn die Tage extrem kurz und die wärmenden Sonnenstrahlen rar waren.

Was sagt die Wissenschaft?

Das Wintertief oder „die Winterdepression ist der Winterschlaf des Menschen. Ein Energiesparmodus, der evolutionär gesehen sinnvoll war, um den Winter zu überstehen. […] Die Ursache ist der Lichtmangel“ (siehe auch „Lichtmangel & Winterdepression„). Dieser hemmt einerseits die Ausschüttung des Muntermacher-Hormons Serotonin. Andererseits produziert der Körper bei Lichtmangel zuviel Melatonin, auch als Schlafhormon bekannt. Wir fühlen uns müde, schlapp und antriebslos. Die Laune sinkt.

Eine sogenannte Lichttherapie kann helfen, den Hormonhaushalt wieder in die richtige Bahn zu lenken. Dabei kommt Kunstlicht zwischen 2.500 – 10.000 Lux zum Einsatz – normale Zimmerbeleuchtung hat im Vergleich nur etwa 300-500 Lux Leuchtkraft (siehe auch“Lichttherapie bei Depression„).

Wer Lust auf einen Stimmungs-Boost durch Licht verspürt, kann sich in ärztliche Behandlung begeben oder diese Liste mit geeigneten Therapiegeräten und Wohlfühlleuchten für den Eigenbedarf von Stiftung Warentest durchstöbern. Ich persönlich bevorzuge kostengünstigere, aber ebenso wirksame Mittel und Methoden, um mich vom Winterblues zu befreien.

Wie gehe ich mit Tiefphasen am besten um?

1. Gefühle zulassen

Wenn ich traurig und verstimmt bin, will ich traurig und verstimmt sein dürfen. Es hilft mir, in meine negativen Gefühle und Gedanken einzutauchen und sie ganz bewusst zu erleben, sie auszuleben. Wenn nötig tagelang. Das ist so eine Art Selbstreinigung. Ich lasse dabei alles, was mich belastet heraus und fühle mich anschließend wesentlich besser, als wenn ich versuche gegen meine Gefühle anzukämpfen oder sie zu unterdrücken.

2. Etwas schön(es) machen

Früher griff ich zu Stift und Papier, wenn es mir schlecht ging und verarbeite meine miese Laune zu Bildern. Im Winter 2013 schnappte ich mir Pinsel und Farbe: Ich ließ meinen Frust an den Wohnzimmerwänden aus und gleichzeitig die Sonne (orange Wandfarbe) in unsere Wohnung. Mich körperlich zu betätigen und dabei ein sichtbares Ergebnis zu erzielen, hob meine Laune ungemein (siehe auch „Spielecke im Wohnzimmer nach Montessori„).

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3. An der frischen Luft bewegen

In schlechten Zeiten vergrub ich mich gerne den ganzen Tag im Bett, doch mit unserem Mädchen ist das zum Glück nicht möglich. Sie motiviert mich täglich zu einem Ausflug ins Grüne – zum Toben, Laufen und Tageslicht-Tanken, selbst wenn mir absolut die Lust dazu fehlt. Eine effektive und zudem kostenlose „Behandlung“ für Körper und Geist.

Denn „Sport und Bewegung an frischer Luft helfen, die Serotonin-Produktion und den Kreislauf in Schwung zu bringen. Selbst bei grauem Himmel ist das natürliche Tageslicht noch drei- bis viermal so stark wie die Zimmerbeleuchtung. Möglichst eine halbe Stunde sollte nach dem Rat von Experten jeder täglich nach draußen gehen“ (siehe auch „Winterdepression: Frühling wo bleibst Du bloß?„).

Außerdem hilft Bewegung, insbesondere Ausdauersport wie Radfahren, Tanzen oder Joggen, Stress abzubauen. Stress begünstigt Stimmungstiefs und lässt sich nur durch körperliche Ertüchtigung regulieren. 

In Problemsituationen schüttet der Körper Stresshormone (u.a. Adrenalin) aus, um uns auf Flucht oder Kampf vorzubereiten. Eine Ur-Reaktion, die uns früher das Überleben ermöglichte. Doch heute müssen wir weder kämpfen noch flüchten. Wir attackieren bestenfalls verbal. Bauen wir aber unseren Stresshormonpegel nicht mit der Bewegung ab, die unser Körper erwartet und benötigt, bleiben wir dauerhaft in Alarmbereitschaft (deutlich spürbar durch eine angespannte Muskulatur) und werden unter Umständen krank (siehe auch „Kampf oder Fluchtreaktion – Erschöpfungsdepression„).

Es gibt also gleich mehrere gute Gründe den Schweinehund zu überwinden und aktiv zu werden.

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Mein Mädchen und ich beim Toben auf dem Spielplatz.

4. Freunde treffen

Da unser Mädchen mir einen Rückzug in die Betthöhle nicht gestattete, ging ich in die Offensive und organisierte regelmäßige Spieltreffen mit meinen liebsten Mädels. Ich redete mir den Frust von der Seele, aber ließ mich auch gerne durch andere Themen ablenken.

Soziale Kontakte zu mobilisieren ist übrigens auch eine wirksame Therapiestrategie bei psychischen Problemen, die verhindert in eine wirklich trübe Stimmung abzurutschen. Verlässliche Netzwerke (der Austausch mit anderen) sind in vielerlei Hinsicht wichtig und notwendig, auch wenn heute jede(r) immer alles alleine schaffen will.

5. Das Positive wahrnehmen und dankbar sein

Stecke ich mitten in einem Wintertief, fällt es mir schwer zu sehen, was ich alles habe. Vorgestern stieß ich passenderweise auf diesen Artikel, der deutlich zeigt, dass sich Glück und Zufriedenheit nicht einfach einstellen.

Es liegt an uns, ob wir glücklich sind und zum Glücklichsein führt u.a. Dankbarkeit für all das, was wir haben.

Es gibt vieles, wofür ich dankbar sein kann: Mein liebevoller und geduldiger Ehemann, der mich in jeder Hinsicht unterstützt, unsere wunderbar lebhafte und gesunde Tochter, meine Familie und Freunde. Ich erfreue mich bester Gesundheit und darf unser Mädchen in den ersten drei Lebensjahren zu Hause erziehen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Leider wird im Alltag vieles selbstverständlich. Spätestens in Krisensituationen versuche ich an das Erfreuliche in meinem Leben zu denken. Das ändert zwar nichts an meinen Problemen, sorgt aber für einen Perspektivwechsel: Das Glas ist wieder halb voll.

6. Aufmuntern lassen

Überkommen mich zu große Selbstzweifel – leider passiert das von Zeit zu Zeit – übernimmt Thomas das Gedankenruder. Er erinnert mich in den schlimmsten Momenten an meine Fähigkeiten und all das, was ich bereits geleistet habe. Noch etwas, dass nicht selbstverständlich ist und wofür ich dankbar bin.

7. Naschen

Bestimmte Nahrungsmittel, wie Ananas, Bananen, Weintrauben und Fisch, sollen angeblich die Ausschüttung von Serotonin fördern. Wer diese in den Speiseplan aufnimmt und an die Wirkung glaubt, kann sich womöglich fit futtern (siehe auch „Essen macht glücklich„).

Ich persönlich setze auf Schokolade 🙂
Sie enthält zwar – entgegen aller Behauptungen – keine Substanzen, die das Gehirn positiv beeinflussen, dennoch macht Schokolade erwiesenermaßen glücklich.

Aber nur, wenn derjenige, der Schokolade ist, auch Schokolade mag. Dann nämlich springt das Belohnungssystem an und sendet ein Glücksgefühl aus (siehe auch „Schokolade macht glücklich!„).
Ihr wisst schon, wovon ich rede.

8. Auszeit nehmen

Was belastet mich? Warum komme ich nicht weiter? Wohin will ich? Was ist mir wichtig? Drehen sich die Gedanken nur im Kreis, ohne dass ich zu einem sinnvollen Ergebnis komme, schicke ich meinen Kopf in den Urlaub, um abzuschalten. Um das Gleichgewicht zwischen Spannung (Stress) und Entspannung wieder herzustellen.

Ganz konkret verpasste ich mir vor Weihnachten 2013 eine „Gedanken- und Arbeitspause“ bis zum Ende des Jahres. Obwohl Thomas mit einer neuen Idee nach der anderen für Nestling anrückte, wollte ich nichts davon wissen. Ich nahm ganz bewusst eine Auszeit, mied Telefon und Internet. Stattdessen konzentrierte ich mich auf meine Familie und schlief ausreichend.

Hat es was gebracht?

JA! Diese Rundum-Kur bewirkte wahre Wunder. Bereits vor Silvester war ich wieder voller Energie, Optimismus und Tatendrang. Bereit für ein neues Jahr. Für neue Aufgaben.

Meine Situation hat sich im wesentlichen nicht geändert, aber meine Sichtweise auf die Dinge und das ist Gold wert.

Eure Strategie?

Gab es solche Tiefphasen bereits in eurem Leben? Wie geht ihr damit um? Krallt ihr euch reichlich Schokolade? Oder Ananas, Bananen, Weintrauben und Fisch, weil ihr mit den Kiddies teilen müsst? Könnt ihr euch aufrappeln und täglich an die frische Luft gehen oder zieht ihr euch lieber zurück? Habt ihr jemanden zum Reden und Aufmuntern? Seid ihr gar in Besitz einer super Leuchtlampe? Oder nutzt ihr ganz andere Mittel?

Ich freue mich auf einen regen Erfahrungsaustausch!

Eure Kathrin
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