Nach der Geburt von Nestling Nr. 2 wurde ich oft gefragt wie ich den Tag mit unserem Baby verbringe und wie bzw. womit ich den Bub beschäftige. Wir legten den Fokus auf ein enges Beieinander – wir trugen ihn viel und hatten ihn stets in unserer Nähe. Zeitgleich gewährten wir ihm in seinen Wachphasen Ruhe und Zeit für sich selbst. Mit zunehmendem Alter und wachsender Mobilität schufen wir außerdem eine babygerechte Umgebung zum selbstständigen Erkunden. Aber seht selbst:
„Den ersten Grundstein für das Urvertrauen legen wir beim Kuscheln in der Babyzeit.“[1]
Nach der Geburt huschelte ich mich zunächst mit dem Bub ins Bett und dieses verließ ich in den ersten Wochen nur, um auf Toilette zu gehen oder mich zu duschen. Dabei dachte ich, er wird sicherlich bald merken, dass wir immer für ihn da sind. Dass er sicher und gut bei uns aufgehoben ist. Dass wir auf ihn aufpassen und rund um die Uhr für ihn sorgen.
„Säuglinge genießen es, wenn sie berührt, gestreichelt und bewegt werden.“[2]
Der Bub schlief entweder auf oder neben meiner Brust im Bett oder eingepackt im Tragetuch. War er wach, legten wir ihn auf den Rücken und sprachen mit ihm, während wir seinen kleinen, weichen Körper streichelten.
„Der wache Säugling soll abwechslungsweise in Bauchlage, Rückenlage und einer halb aufrechten Sitzstellung (Babywippe) sein.“[3]
Je älter der Bub wurde (ab der 3./4. Woche), desto länger blieb er am Stück wach und diese Wachphasen verbrachten wir sehr unterschiedlich:
- Früh am Morgen legte ich ihn beispielsweise in seine Babywippe, so dass er mit uns gemeinsam „frühstücken“ konnten. Er schaute natürlich nur zu, aber wippend am Geschehen teilzunehmen, stellte ihn zufrieden.
- Im satten und wachen Zustand legte ich ihn auch gerne in Rückenlage unter sein Trapez oder einfach so auf seine Babydecke. Das klappte am besten, wenn ich das Zimmer aufräumte, also von A nach B sauste. Er spürte und sah mich, aber brauchte mich nicht und schaute sich so entspannt seine Umgebung an (circa 5-15 Minuten je nach Tagesform).
- Mehrmals am Tag drehte ich ihn außerdem für wenige Minuten in Bauchlage. Anfangs blieb ich bei ihm, bis er sicher in dieser Position verharrte. Ich gab ihm ein Spielzeug in die Hände oder schaute ihm einfach zu, bis er mir signalisierte, dass er einen Positionswechsel benötigt.
„Häufig ist der Säugling wach, will nicht spielen, möchte aber dennoch nicht alleine sein.“[4]
Wurde der Bub im wachen Zustand quengelig und unaufmerksam, steckte ich ihn in einen Ring-Sling oder ins Tragetuch. Denn er wollte in diesen Momenten nicht von mir beschäftigt werden (er wendete den Blick von mir ab, wenn ich mit ihm sprach oder ihm ein Spielzeug anbot), sondern einfach nur in meiner Nähe sein. Er war glücklich, wenn er mir vom Tuch aus bei den Hausarbeiten zuschauen konnte oder ich mit ihm an der frischen Luft spazieren ging. Nach spätestens 20-40 Minuten schlief er so meist müde vom Zuschauen ein.
„Kein Neugeborenes wird verwöhnt, wenn es die ganze Zeit auf dem Arm sein darf!“
„Für den Aufbau einer festen, tragfähigen Bindung gibt es nichts Besseres als viel Körperkontakt, Haut an Haut und Herz an Herz. Das eigene Kind in den Armen zu halten, es zu tragen, zu streicheln und zu küssen und ihm so zu zeigen, wie liebenswert es ist – all das gehört nicht nur zu den schönsten Erfahrungen des Elternseins, es schenkt dem Kind auch die Gewissheit, dass ihre Eltern wie ein sicherer Hafen sind, in den sie jederzeit zurückkommen können. Keine Sorge also vor dem Verwöhnen. Stillen, Tragen und Kuscheln sind wunderbare und ganz natürliche Möglichkeiten, dem Baby zu geben, was es braucht: Wärme, Milch und ganz viel Nähe.“[5]
„Die Nähe zur Mutter hilft Kindern, sich besser zu entwickeln.“[6]
Ganz im Gegenteil zeigen „historische Beispiele der „körperlosen“ Aufzucht auf dramatische Weise, dass Babys ohne Berührung, ohne Nähe und ohne emotionale Zuwendung weder körperlich noch seelisch gedeihen können.“[7] Viel Nähe im Säuglingsalter ist zwar keine Garantie für ein gelungenes Leben, aber regelmäßiger Körperkontakt beruhigt Babys und fördert ihr Gedeihen und Wohlbefinden.[8]
„Nur ein Kind, das sich wohl und geborgen fühlt, spielt.“[9]
Das physische und psychische Wohlbefinden ist übrigens eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Kind spielen kann. „Während einer Krankheit spielt ein Kind weniger als in gesunden Tagen oder gar nicht. Ist ein Kind müde, traurig oder fühlt es sich allein gelassen, so wirkt sich sein beeinträchtigtes Empfinden auf sein Spiel aus.“[10]
Auch bei Nestling Nr. 2 gibt es immer wieder Phasen, in denen er schimpft, sobald ich ihm den Rücken zukehre. Phasen, in denen er (wenn überhaupt) nur auf bzw. mit mir spielt. Zeigt er sich derart anhänglich, scheint er sich nicht wohl zu fühlen und bekommt einfach eine extra Kuscheleinheit.
„Kinder jeden Alters wollen und können sich alleine beschäftigen.“[11]
Bei unserem Mädchen saß ich oft stundenlang daneben, wenn sie spielte oder ich spielte die ganze Zeit mit ihr. Ich wusste es nicht besser bzw. war mir nicht bewusst, dass auch kleine Babys schon alleine spielen können, wenn auch nur für kurze Zeit. Sie benötigen dafür zwar die Nähe einer vertrauten Person, denn alleine spielen bedeutet bei Babys nicht alleine sein. Aber befinde ich mich mit dem Bub im selben Raum, schafft auch er es, sich und seine Umgebung eigenständig zu erkunden.
„Kinder wollen tätig sein, nicht beschäftigt werden.“ (Jegge)
Dazu passt auch der Grundgedanke von Maria Montessori: „Hilf mir es selbst zu tun“. Nichts schafft mehr Selbstvertrauen, als etwas selber zu schaffen und bereits kleine Babys sind in der Lage kleine Ziele (sich drehen, ein Spielzeug bewegen usw.) selbst zu erreichen.
„Eltern sollten sich bemühen, den Bewegungsfreiraum ihres Kindes groß zu halten und dem Kind möglichst viele Gelegenheiten zum Erkunden zu geben.“[12]
Und so gewähre ich Nestling Nr. 2 wesentlich mehr Freiraum als seiner Schwester damals. Einerseits schlichtweg aus Zeitmangel (dann kann ich eben noch dies und das erledigen); andererseits, damit er ungestört seiner Neugier und seinem Bewegungsdrang folgen kann. Als er begann sich auf den Bauch zu drehen und zu robben, achtete ich nur darauf, dass er sich gefahrenlos fortbewegen konnte und immer etwas Interessantes in seiner greifbaren Nähe lag.
Die Wohnung sollte so eingerichtet sein, dass das Kind
- sich nicht verlassen fühlt, wenn es spielt;
- in seinem Bewegungstrieb und Neugierverhalten möglichst wenig eingeschränkt wird
- keinen Gefahren ausgesetzt ist (herabstürzende Gegenstände, Steckdosen, giftige Zimmerpflanzen oder Chemikalien)[13]
„Kinder möchten aber auch mit ihren Eltern und anderen Kindern spielen.“[14]
Bevor jetzt ein falsches Bild entsteht: Nestling Nr. 2 beschäftigte sich nicht stundenlang mit sich selbst, auch nicht als er mobiler wurde. Es war eher ein hin und her. Mal kam er angekrochen und schaute, was wir (Thomas, das Mädchen und ich) so treiben – er gesellt sich gerne zu uns, um uns zu beobachten. Dann wieder fand er etwas Interessantes, was seine volle Konzentration für ein paar Minuten zog; er versank im Spiel, bis er das Interesse verlor und er wieder unsere Aufmerksamkeit einforderte.
Meine 1:1 Zeit mit ihm sah für gewöhnlich so aus, dass ich viel Quatsch mit ihm machte: Ich zog Grimassen oder versteckte mein Gesicht hinter meinen Händen (das „Kuckuck-Spiel“). Manchmal beobachtete ich ihn einfach und stieg (nicht bestimmend) in sein Spiel mit ein: Klopfte er beispielsweise Bausteine aneinander, dann stellte ich sie für ihn auf, damit er sie umwerfen konnte. Wollte er mir meinen Kugelschreiber mopsen, stellte ich ihm die Kiste mit Stiften zum Durchwühlen hin.
„Jeder Gegenstand, der sich zum Erkunden eignet, ist für das Kind ein Spielzeug.“[15]
Und das bringt mich auch direkt zu der Frage nach den für Babys geeigneten Spielsachen. Obwohl die Geschäfte voll sind mit putzigen, bunten und extra für Kinder hergestellten Dingen, benötigen Babys all diese eigentlich nicht. Für sie ist nämlich alles neu und spannend und oft sind Alltagsgegenstände wie ein Schlüsselbund begehrter als „altersgerechtes“ Spielzeug wie Greiflinge oder Rasseln.
Deswegen darf der Bub:
- Den Staubsauger untersuchen
(warum auch immer liebt er es, sich daran hochzuziehen) - Die Küchenschubladen plündern
(die unteren Schubladen sind voll mit „unkaputtbaren“ Dingen) - Mit Küchenutensilien spielen, während ich koche
(Schneebesen, Schüsseln, Töpfe, Löffel usw.) - Alles gründlich untersuchen und anlutschen, was ihm in die Quere kommt
(z.B. unser metallener Türstopper, Kleiderbügel, CD-Spindel voll alter CDs, DVD Hüllen)
„Ein gutes Spielzeug ist also ein Gegenstand, an dem das Kind Interesse hat – und das ungefährlich ist.“
Ungefährlich ist ein Gegenstand, wenn er:
- so groß ist, dass das Kind ihn nicht ganz in den Mund nehmen kann;
- keine scharfen Kanten und Spitzen hat;
- unzerbrechlich ist;
- nicht mit giftiger Farbe bemalt ist.[17]
Zusammenfassung
Babys benötigen weder Dauerbeschäftigung noch ein ganzes Kinderzimmer voller Spielzeug. Sie brauchen in erster Linie Körperkontakt, damit sie sich wohl und sicher fühlen. Etwa ab dem 3./4. Monat beginnen sie zunehmend ihre Umwelt zu erkunden. Damit sie ihren angeborenen Spieltrieb frei entfalten können, solltet ihr auf Folgendes achten:
- Keine falschen Erwartungen
Der Zeitraum, in dem sich Kinder unter einem Jahr alleine beschäftigen, beträgt etwa 5-15 Minuten. - Gutes Timing
Nur ein ausgeschlafenes, sattes und zufriedenes Baby spielt. - Zunächst in der Nähe bleiben
Vor allem kleine Babys fühlen sich schnell verlassen. - Bewegungsradius allmählich vergrößern
Babys, die ins Spiel vertieft sind, stört es meist nicht, wenn die Bezugsperson für wenige Minuten ins Nachbarzimmer huscht. Testet wie euer Kind auf eure Abwesenheit reagiert und haltet am besten Sprechkontakt. - Einfach mal machen lassen
Auch Babys wollen sich ohne die Einmischung von Erwachsenen ausprobieren dürfen. - Spannende und sichere Umgebung schaffen
Kinder brauchen Bewegungsfreiheit und einen interessanten Raum zum erkunden.
- Imlau, Nora: Das Geheimnis zufriedener Babys (2013), 34.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 158.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 159.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 303.↵
- Imlau, Nora: Das Geheimnis zufriedener Babys (2013), 35.↵
- Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), 316.↵
- Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), 320.↵
- Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), 317.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 272.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 272.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 285.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 165.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 166.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 285.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 317.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 277.↵
- Largo, Remo: Babyjahre (2013), 318.↵