Das ist unsere Feentür, welche in den letzten Tagen für große Aufregung bei uns sorgte.
Wir bekamen sie vor zwei Jahren geschenkt und weil sie bislang ungeachtet einstaubte, unser Mädchen aber wundersame Märchen liebt, holte ich sie Ende November ins Wohnzimmer, um ihr etwas Leben einzuhauchen. „Mal schauen, ob die Fee uns mal besucht, wenn wir es ihr gemütlich machen!“ flüsterte ich dem Mädchen beim Befestigen der Tür lächelnd zu.
In der folgenden Nacht hatte ich etwas „Sternenstaub“ vor und über der Tür verteilt und einen Brief unter einer Muschel davor versteckt. „Die Fee war da!“ überschlug sich das Mädchen am nächsten Morgen vor Aufregung, als sie die Überraschung entdeckte.
Ein paar Tage später hüpfte sie wieder vor Freude bei einer weiteren „Spur“ der Fee und mein Mama-Herz hopste freudig mit, weil es mir mit diesen Kleinigkeiten gelang, ihre Augen so derartig zum Leuchten zu bringen.
Mein Frohmut wurde schlagartig gedämpft, als sie kurz darauf die Tüte mit dem Sternenstaub entdeckte, die ich vergessen hatte von meinem Schreibtisch ins „Nestling-Geschenke-Geheimfach“ zu packen. „Ich wusste doch, dass Du das warst!“ murmelte sie enttäuscht und mit hängenden Ohren. In dem Moment hätte ich heulen können, weil der ganze Zauber verflogen war, nur weil ich Schussel nicht aufgepasst hatte.
Ich versuchte die Situation zu retten, indem ich ihr erklärte, dass ich den Feenstaub als Einladung davor gestreut hatte, aber dass ich das ja nicht alleine machen müsse, sondern sie mir dabei helfen könne. Und so verteilten wir gemeinsam noch ein paar Sterne. Als sie jedoch zum Abschluss sagte: „Mama, lass uns so tun, als wenn die Fee da war!“, dachte ich sie wüsste nun, dass es die Fee nicht gibt und okay ist damit. Doch das war ein großer Irrtum.
Ich legte ihr in dieser Nacht nämlich eine Nachricht unter die Muschel, angelehnt an diesen Brief einer Mutter an ihr Kind, welches gefragt hatte „Bist Du der Weihnachtsmann?“ Ich schrieb ähnlich ehrlich, dass es keine Fee gäbe, sondern ich die Überraschungen für sie hingelegt hatte, weil ich sie liebe und ihr so ab und zu eine Freude bereiten wollte.
Dafür erntete ich am nächsten Morgen riesigen Protest: „Du warst das ALLES? WARUM?“ Sie war aufrichtig traurig über meinen Brief und ich dabei, mir zum zweiten Mal in den Po zu beißen. Erst hatte ich vermasselt, meine Feen-Accessoires anständig zu verstecken, dann dem Mädchen die Wahrheit erzählt, die sie überhaupt nicht wissen wollte.
Doch glücklicherweise ließ sie sich durch nichts von ihrer Fee abbringen. Bereits am nächsten Morgen steuerte sie schnurstracks auf ihre kleine Holztür zu und schaute hoffnungsvoll unter die Muschel. „Die Fee war nicht da!“ informierte sie mich. Da stand ich nun mit offenem Mund, weil ich nicht glauben konnte, dass sie so sehr an ihre Fee glauben wollte.
Die Magische Phase
In dem Moment wurde mir klar, dass dem Mädchen die Wahrheit völlig egal war. In ihrer Vorstellung gibt es eine Fee und sie wünscht sich nichts mehr, als dass sie uns weiterhin von Zeit zu Zeit besucht.
Obwohl ich weiß, dass die Vermischung von Wirklichkeit und Fantasie – die sogenannte magischen Phase – zur normalen Entwicklung von Kindern dazu gehört, war ich zugegebenermaßen überrascht, dass unser Mädchen die Realität so stark ausblendet. Dass sich ihr Wunschgedanke trotz all der „harten Fakten“ durchsetzte.
Doch ich war auch ungemein erleichtert, weil ich nun weiterhin zu ihren Feen-Fantasien beitragen darf, indem ich ihr Spiel mitspiele, was ich natürlich zu gerne tue. Nicht nur weil es mir wahrlich tiefe Freude beschert, sie zu überraschen, sondern auch weil ich ihren Glauben an das Wunderbare bewundernswert finde.
Geheimnisvolle Welt oder gemeine Lüge?
Als das Mädchen den Feentstaub im Arbeitszimmer entdeckt hatte, geriet ich stark ins Grübeln inwiefern ich sie diesbezüglich anflunkern darf. Ich versuche eigentlich immer ehrlich zu sein zu meinen Kindern, da sie sich auf mein Wort verlassen und ich ihr Vertrauen nicht brechen möchte. Doch gleichzeitig erzähle ich die Geschichten vom Nikolaus, dem Weihnachtsmann, dem Osterhasen und natürlich auch die von der Fee.
Passend dazu wird aktuell „gewarnt“, dass die Weihnachtsmann-Lüge einer vertrauensvollen Eltern-Kind-Beziehung schade und regelrecht zu Dramen führe, wenn sie auffliegt. Doch Psychologen wie Peter Walschburger entschärfen das Thema: „Die Geschichte vom Weihnachtsmann [und von anderen fiktiven Figuren] ist für kleine Kinder eher eine Bereicherung.“ Grundsätzlich sieht er in Mythen, Märchen und Ritualen einen wohltuenden Gegenpol zur ansonsten rationalen Welterklärung. „Wir Menschen brauchen beides: aufgeklärtes Denken und Verzauberungen“ (siehe „Die Mär vom Weihnachtsmann“).
Davon abgesehen ist die gesamte Weihnachtsgeschichte, die wir als den Ursprung und Hintergrund von Weihnachten feiern, ein Märchen, wenn man so will. Denn „wann Jesus Christus genau geboren wurde, ist nicht gesichert“ (siehe „Weihnachten historisch„). “Und die meisten Theologen, die sich heute mit der Erforschung des Neuen Testaments beschäftigen, gehen davon aus, dass Lukas die Geschichte von der Geburt im Stall erfunden hat, um Jesu Leben in eine bestimmte Richtung zu deuten“ (siehe: „Wie war das wirklich mit der Geburt Jesu?„). Es wird also ziemlich schwierig für uns, wenn wir unseren Kindern die „Wahrheit“ über Weihnachten erzählen wollen (das Fest ist schließlich viel älter als das Christentum). Warum die Geschichte also nicht gemäß unserer eigenen Vorstellungen und Familientraditionen mit Weihnachtsmann, Christkind oder wem auch immer ausschmücken?
„Keinem Kind den Glauben rauben…
… aber es nicht anlügen, wenn es dezidiert fragt“, schreibt die liebe Bea (Tollabea) und genau so halte ich es auch.
Ich werde weiterhin beiden Nestlingen den Nikolausstiefel füllen und mit ihnen Ostersüß suchen. Der Weihnachtsmann bringt bei uns Geschenke (ihn gab es übrigens bereits im 19. Jahrhundert und nicht erst seit der Coca-Cola Kampagne) und die Fee kleine Aufmerksamkeiten. Ich selbst habe solche aufregenden Rituale als Kind genossen und sehe, welchen Spaß meine Racker daran haben. Da möchte ich diesen Zauber und ihren Glauben daran solange wie möglich aufrecht erhalten und mich an ihrem Staunen erfreuen, wenn etwas für sie Unerklärliches passiert. Fragen sie mich eines Tages, wer hinter all dem steckt, werde ich ihnen wahrheitsgemäß antworten.
Schlussgedanke
Wenn meine Kinder in ihrer Vorstellung neue Wesen und Welten erschaffen – dabei Zeit und Raum vergessen – werde ich mich hüten, sie in die Realität zurückzuholen. Im Gegenteil möchte ich ihnen ermöglichen tief und ungestört in ihre Traum- und Gedankenwelten einzutauchen, damit ihre Fantasie, diese wundervolle Gabe, so lange wie möglich erhalten bleibt.
Dafür spiele ich entweder ihre alltäglichen Spiele mit (Mami, lass uns so tun, als ob…) oder ich führe die Fantasie-Regie, indem ich ab und zu kleine Wunder verursache. Das Mädchen und ich, wir hüpfen täglich zwischen Wirklichkeit und Vorstellung hin und her. Sie darf mit der Wahrheit kreativ und flexibel umgehen (z.B. so tun, als ob sie schon sechs Jahre ist – sie ist erst fünf) und scheinbar möchte sie, dass ich genau das auch mache, indem ich beispielsweise ihre Fee spiele.
Die Aufgabe der Geschichtenerzählerin und „Wunderverursacherin“ übernehme ich gerne, solange meine Kinder daran glauben wollen und zwar ohne negative Folgen zu befürchten. Denn sie genießen meine Überraschungen und erleben dadurch große Freude (ich spare mir, unsere fiktiven Figuren als erzieherisches Druckmittel einzusetzen). Außerdem haben wir in den letzten Jahren so eine starke Vertrauensbasis geschaffen, dass ich meinen „phantasievollen Umgang mit der Wahrheit“ in Bezug auf Fee, Osterhase und Weihnachtsmann sicherlich verständlich für sie erklären kann, wenn sie bereit dafür sind.
Eure Kathrin