Stillende Mütter werden immer wieder mit Ammenmärchen konfrontiert. Solche Fehlinformationen sorgen selbstverständlich für große Unsicherheit. Ich bin ausgebildete Stillberaterin (AFS) und da in meinen Beratungen stets die gleichen Fragen auftreten, liste ich in diesem Artikel die häufigsten Irrglauben auf.
Inhalt
- 1. Die Trinkmenge der Mutter beeinflusst die Milchmenge
- 2. Eine Stillende muss für Zwei essen
- 3. Frauen mit kleiner Brust haben weniger Milch
- 4. Ganz große Brüste sind zum Stillen ungeeignet
- 5. Stillen ist schmerzhaft
- 6. Stillen führt zu Haarausfall
- 7. Muttermilch ist zu dünn/ nicht nahrhaft
- 8. Ich muss beide Brüste anbieten, sonst droht Milchstau
- 9. Ich muss eine Stillpause von mindestens zwei Stunden einlegen, sonst bekommt mein Baby Blähungen
- 10. Baby muss mindestens 10 Minuten gestillt werden, um satt zu sein
- 11. Mit Abendbrei schlafen Babys durch
- 12. Wenn das Baby oder die Mutter krank ist, nicht stillen
- 13. Spätestens, wenn die ersten Zähne kommen, braucht das Baby feste Nahrung
- 14. Ein Stillkind benötigt bei Hitze zusätzliche Flüssigkeit
- 15. Stillen verursacht schlaffe Brüste
- 16. Nächtliches Stillen führt zu Karies
1. Die Trinkmenge der Mutter beeinflusst die Milchmenge
Weder die Trinkmenge noch die Art des Getränkes beeinflussen die Milchmenge, es ist also nicht nötig literweise Malzbier oder Stilltee zu trinken – es sei denn es schmeckt. Die Milchmenge wird nur durch korrektes und häufiges Anlegen (Stillen nach Bedarf) bestimmt. Je öfter das Baby trinkt, desto mehr Milch wird gebildet. Wenn ihr dennoch das Gefühl habt, eure Milch reicht nicht aus, wendet euch bitte an eine Stillberaterin!
2. Eine Stillende muss für Zwei essen
Der Kalorienbedarf in der Stillzeit ist tatsächlich erhöht (um ca. 400-500 Kalorien), verdoppelt sich aber nicht. Ein halber Liter Malzbier hat beispielsweise ca. 200 Kalorien, eine Tafel Schokolade ca. 500 Kalorien. Ihr könnt euch vorstellen, wohin das regelmäßige Verputzen von zwei Portionen führt. Deswegen gilt – für die Schwangerschaft, wie auch die Stillzeit – auf gesunde, ausgewogene Ernährung zu achten und bei knurrendem Magen zwischen den Hauptmahlzeiten für leichte Snacks (z.B. Nüsse oder Smoothies) zu sorgen.
3. Frauen mit kleiner Brust haben weniger Milch
Gut ausgebildetes Brustdrüsengewebe und ausreichende Hormone entscheiden über die Milchproduktion – die Größe der Brust spielt dabei keine Rolle. „Selbst ein Mückenstich kann stillen“, so das Zitat meines Frauenarztes und Recht hat er.
4. Ganz große Brüste sind zum Stillen ungeeignet
Große Brüste sind beim Stillen eventuell schwer zu „bändigen“, können aber genau wie sehr kleine Brüste wunderbar stillen. Beim Stillen des ersten Babys, ist Unterstützung durch eine Hebamme sicherlich von Vorteil. Doch auch im Netz gibt es nützliche Tipps für geeignete Stillpositionen, zum Beispiel hier.
5. Stillen ist schmerzhaft
Stillen kann sich in den ersten Tagen unangenehm anfühlen, wenn beispielsweise die Brüste beim Milcheinschuss spannen oder die Brustwarzen (noch) sehr empfindlich sind. Stillen sollte jedoch niemals Schmerzen bereiten. Falls doch, bitte an eine Hebamme oder Stillberaterin wenden, damit die Ursachen der Schmerzen geklärt werden können.
Mögliche Gründe für Schmerzen beim Stillen:
- Falsches Anlegen
- Falsche Trinktechnik
- Unbequeme Stillposition
- Schmerzhafter Milchspendereflex
- Milcheinschuss
- Milchstau
- Mastitis
- Wunde Brustwarzen
- Pilzinfektionen
6. Stillen führt zu Haarausfall
Nicht das Stillen ist Schuld, wenn ihr Haare verliert! Hormonumstellungen (wie der Abfall des Östrogenspiegels) können nach der Geburt zu Haarausfall führen. Bei manchen Frauen passiert das schon einige Woche nach der Geburt, bei anderen Monate später. Das jedoch kann stillende Frauen genauso treffen wie Mütter von Flaschenkindern.
7. Muttermilch ist zu dünn/ nicht nahrhaft
Ja, Muttermilch ist sehr dünnflüssig, aber sie enthält pro 100g circa 70 kcal und 4g Fett.
Die Konsistenz von Karottenbrei z.B. ist zwar wesentlich dicker, jedoch liefern gekochte Möhren lediglich 27 kcal (0,22 g Fett)! Wenn wir also, wie empfohlen, ab dem 4. Monat die Stillmahlzeit am Mittag durch Karottenbrei ersetzen, wird die Kalorienzufuhr bei gleicher Menge um mehr als die Hälfte reduziert. Muttermilch ist also nicht nur nahrhafter in Hinsicht auf Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten, sondern liefert gleichzeitig eine große Palette an Vitaminen, Mineralien und Abwehrstoffen. Diesen und mehr anregende Fakten zum Mythos Muttermilch liefert Dr. Carlos Gonzales in seinem wundervollen und sehr beruhigendem Buch Mein Kind will nicht essen.
8. Ich muss beide Brüste anbieten, sonst droht Milchstau
Es ist wichtiger sich vom Baby führen zu lassen, als starre Regeln einzuhalten. Der weibliche Körper ist so intelligent, dass er sich automatisch an die Gewohnheiten des trinkenden Babys anpassen wird, egal ob es beide Brüste bevorzugt oder lediglich an einer trinken will. Milchstau liegen andere Ursachen zu Grunde, zB. Stress oder ineffektives Saugverhalten. In solchen Fällen bitte eine Stillberaterin kontaktieren!
9. Ich muss eine Stillpause von mindestens zwei Stunden einlegen, sonst bekommt mein Baby Blähungen
In den 20iger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die These von den „Ruhepausen für den Magen“ des Kindes sehr populär (Eva Herman, Vom Glück des Stillens). Es wurde angenommen, dass die Milch im Magen sauer wird und erst nach mindestens zwei Stunden verdaut ist. Wird das Kind demzufolge zu früh gestillt, sorgt die Mischung aus alter und neuer Milch für Bauchschmerzen.
Heute wissen wir, dass das falsch ist. Zu häufiges Stillen verursacht weder Magenkrämpfe noch Blähungen.
10. Baby muss mindestens 10 Minuten gestillt werden, um satt zu sein
Babys sollten ausschließlich nach Bedarf und nicht nach Stechuhr gestillt werden. Es gibt Schnelltrinker, die es schaffen innerhalb von 5-6 Minuten eine Brust zu leeren und Genießer, die 20 Minuten und länger stillen. Lasst eure Babys machen und vertraut ihnen, denn sie wissen, wie viel (oder wie wenig) Milch sie brauchen.
11. Mit Abendbrei schlafen Babys durch
Das Durchschlafen ist ein Reifeprozess, der sich individuell und unabhängig von der Nahrung entwickelt (siehe auch „Warum Babys nicht durchschlafen„). Außerdem wachen Kinder nachts nicht nur auf, weil sie Hunger haben, sondern auch weil sie uns brauchen. Stillen ermöglicht es, Hunger und das Bedürfnis nach Nähe zu erfüllen, falls das Baby aufwacht. Obendrein hilft es Kindern schnell wieder in den Schlaf zu finden.
12. Wenn das Baby oder die Mutter krank ist, nicht stillen
Nur wenige Erkrankungen, wie Aids, erfordern tatsächlich das Abstillen. Bei gewöhnlichen Infektionskrankheiten, wie Erkältung oder Magen-Darm-Grippe gibt es keinen Grund das Stillen zu unterlassen (siehe auch „Stillen im Krankheitsfall„).
13. Spätestens, wenn die ersten Zähne kommen, braucht das Baby feste Nahrung
Einige Babys werden schon mit Zähnen geboren, während andere erst nach dem ersten Geburtstag den ersten Zahn bekommen. Das Durchbrechen der Zähne sollte kein Startschuss für das Einführen der Beikost sein. Wann euer Kind bereit für feste Nahrung ist, könnt ihr in meinem Artikel „Beikost für Stillkinder“ nachlesen.
14. Ein Stillkind benötigt bei Hitze zusätzliche Flüssigkeit
Ein gesundes, voll gestilltes Kind braucht weder Tee noch Wasser. Erst mit der Einführung der Beikost, sollte zusätzliche Flüssigkeit (am besten nur Wasser) angeboten werden.
15. Stillen verursacht schlaffe Brüste
Ob eine Frau Hängebrüste bekommt, hängt von ihrer genetischen Veranlagung ab. Schwangerschaften (die Hormonumstellung) und das Alter verändern die das Aussehen und die Form der Brüste – unabhängig davon, ob eine Frau stillt oder nicht.
16. Nächtliches Stillen führt zu Karies
Weder Langzeitstillen noch nächtliches Stillen führen zu Karies. „Muttermilch kommt beim Stillen kaum mit den ersten Zähnchen in Berührung. Die Muttermilch umspült bei korrekter Stilllage die Milchzähne nicht, sondern erreicht den Mundraum erst kurz vor dem Rachen und wandert dann weiter in den Verdauungstrakt. Ein Kariesrisiko besteht erst dann, wenn wenn Zucker aus der Nahrung und Bakterien (Streptokokkus mutans) hinzukommen!“
(siehe „Kariesentstehung im Säuglingsalter“)