Neulich habe ich euch ja erzählt, dass mir in Stresssituationen manchmal die Sicherungen durchbrennen und mir Bücher helfen, mich und meine Kinder zu verstehen und die bestehenden Konflikte besser anzugehen. Solch ein Buch – die kleine Broschüre Emotionale Hungersnot von Gundula Göbel – möchte ich heute vorstellen, weil sie mir vor einigen Wochen einen guten Gedankenanstoß im Umgang mit unserem Mädchen (4,5 Jahre) gab.
Als ich das Büchlein bestellte, stritten wir viel mit ihr. Sie schien gegen alles zu sein, sie hörte uns nicht zu, machte genau das Gegenteil von dem, was wir wollten und Thomas und ich, wir waren eigentlich immer doof. Doofer Papa! Doofe Mama!
Wir drehten uns tagelang im Kreis – in einer endlos Spirale aus Meckern und Motzen. bis ich (wieder einmal) zu der Überzeugung gelangte, dass unser Mädchen sehr wahrscheinlich völlig in Ordnung ist und dass wir (also Thomas und ich) etwas an/ in uns verändern müssen.
Während das Gefühl in mir wuchs, dass wir unser Mädchen unfair/ falsch behandeln, stolperte ich im Internet zufällig über diesen Klappentext:
„Immer mehr Eltern haben – trotz bester Absichten und enormen Wissens rund um die Erziehung – Schwierigkeiten, sich auf ihre Kinder wirklich einzulassen und diese angemessen emotional zu versorgen. […] Der Leser erhält nützliche Anregungen, wie die seelische Gesundheit und die erlebte Bindungssicherheit gefördert werden kann. Ergänzend erfährt er auch viel über sich selbst.“
Ich fühlte mich angesprochen und forderte ein Rezensionsexemplar an. Die kleine Broschüre umfasst lediglich 40 Seiten in leicht verständlicher Sprache und sie lässt sich somit in wenigen Minuten lesen. Der Inhalt regte mich stark zum Nachdenken an: Hatte ich durch mein Verhalten den Herzenskontakt zu unserem Mädchen verloren? Hatte sie ihr Herz verschlossen, wie Göbel es bezeichnet und reagierte sie deshalb so negativ auf uns?
„Wenn sich das Herz verschließt, die emotionale Nabelschnur blockiert ist, fühlen sich Babys, Kinder, aber auch Jugendliche allein gelassen. In solch einem Moment spüren sie nicht mehr zuverlässig die Verbundenheit und Nähe mit ihrer Bezugsperson.“
Die verschiedenen möglichen Ursachen der emotionalen Hungersnot bespricht Göbel in ihrem Büchlein. Ständige Bewertungen verschließen beispielsweise das Herz, genau wie eigene, unsichere Bindungserfahrungen, Erschöpfung, Perfektion und Zeitdruck. Punkte, bei denen ich das Haupt schuldbewusst senkte, weil sie auf mich und Thomas zutreffen.
Was die Situation für unser Mädchen zusätzlich erschwerte, war die Tatsache, dass ich seit der Geburt von Nestling Nr. 2 sehr viel mehr von ihr forderte – weil sie die selbstständige Große war und ich in vielen Situationen (Anziehen, Abendritual usw.) ihre Hilfe benötigte. Dabei war ich wesentlich kritischer mit ihr als sonst – wenn sie beispielsweise aus Versehen ihr Getränk verschüttete, reagierte ich genervter als üblich – und ich überging in Stresssituationen häufig ihre Bedürfnisse. Nicht mit Absicht, sondern weil ich oft nicht wusste wie ich einen anhänglichen Bub und ein forderndes Mädchen gleichzeitig versorgen sollte. Kümmerte ich mich zuerst oder intensiver um den Bub, fühlte sie sich verständlicherweise abgewiesen, was sie mir manchmal auch klar und deutlich vorwarf: „Immer hast Du den Kleinen auf dem Arm, Mama!“
Göbel geht am Ende ihrer Broschüre kurz auf die Folgen emotionaler Hungersnot ein und zeigt Ideen zur Bindungsstärkung auf. Letztere sind zwar eher Stichworte als ausführliche Beschreibungen, aber Erinnerungen wie „Warmherzigkeit“, „Blickkontakt“ und „Weniger Bewertungen“ sind klare Hinweise, die mir enorm dabei halfen, achtsamer mit unserem Mädchen umzugehen.
Für manche von euch mag das selbstverständlich sein und wer immer einen guten Draht zu seinem Kind spürt, der benötigt diese Broschüre natürlich nicht. Mir öffnete das Büchlein jedoch die Augen und es half mir den Herzenskontakt zu meinem Mädchen wieder herzustellen.
Lest ihr auch Bücher, wenn ihr in bestimmten Phasen mit euren Kindern nicht weiter wisst? Wenn ja, welche? Wenn nein, was hilft euch?
Eure Kathrin