Heute in zwei Wochen ziehen wir nach New York und bis gestern habe ich auf die Frage, wo wir denn wohnen werden, geantwortet: „Irgendwo in Larchmont, aber eine Unterkunft haben wir noch nicht!“
Kommt mir bekannt vor
Erstaunlicherweise hat mich dieser Zustand nur minimal beunruhigt – vielleicht weil ich das schon zwei Mal erlebt habe. Als ich mit 19 nach Australien reiste, hatte ich nur ein Hostel für die ersten 3 Tage und musste mir dann vor Ort schleunigst eine neue Bleibe suchen. Bei meinem Studium in York fand ich ebenfalls erst eine Unterkunft, als ich bereits in Großbritannien war. Wahrscheinlich war ich deswegen zuversichtlich, dass wir etwas finden.
Dennoch stieg die Nervosität seit dem letzten Wochenende an. Das war hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass das Wohnungsangebot in Larchmont entgegen meiner Hoffnungen schrumpfte. Alle bezahlbaren Angebote, die unser Makler geschickt hatte, waren bis auf ein Haus vermietet worden und es kamen keine neuen Immobilien dazu. Als ich zillow.com, craigslist und andere Plattformen am Wochenende nach Neuerscheinungen durchwühlte, beschlichen mich leise Befürchtungen, dass es schwierig oder zumindest teuer werden könnte.
Superwoman
Da ergriff das Mädel, das ich über die „Germans in New York“ Facebookgruppe kennengelernt habe (ich nenne sie im folgenden Superwoman), die Initiative. Sie organisierte kurzerhand eine Besichtigung und nahm uns mit dem Handy auf eine „virtuelle Tour“ mit. Das Objekt war neu auf dem Markt und aufgrund vielversprechender, helle Bilder unser Favorit. In der Realität entpuppte es sich jedoch als dunkle, überteuerte Behausung. An diesem Abend ging ich tief enttäuscht und todtraurig ins Bett.
Am nächsten Tag knöpfte Superwoman sich entschlossen das letzte Haus auf der Liste unseres Maklers vor, welches wir wegen der dunklen, wenig einladenden Fotos nicht in Betracht gezogen hatten. Dieses stellte sich jedoch als wahrer Glücksgriff heraus. Es ist frisch renoviert und sah demzufolge in „echt“ viel hübscher aus, als auf den Bildern. Von dort aus kann Thomas zur Bahnstation laufen. Es liegt zentral (in der Nähe der Schule, Bücherei, Einkaufsläden) und wir brauchen nur 10 Minuten mit dem Rad zum Meer 🙂
Die Wohnfläche beträgt unfassbare 220 m, was ich eigentlich vieeeel zu groß finde. Aber es ist preislich unschlagbar günstig ist (günstiger als jede 3-Raum Wohnung im Umkreis). Und weil wir ja hoffentlich regelmäßig Besuch aus Deutschland bekommen, freuen wir uns über ausreichend Platz für unsere Gäste.
Gestern Nacht gab es die Zusage vom Vermieter, jetzt wird gerade der ganze Papierkram geklärt und morgen erhalten wir den Vertrag. Hoffentlich. Ich freue mich so megamäßig und bin gleichzeitig unendlich erleichtert. Wir müssen jetzt doch kein überteuertes Airbnb zur Überbrückung mieten, können uns die lästige Wohnungssuche mit den Kindern und ohne Auto sparen. Superwoman wohnt bei uns um die Ecke, so dass wir ihr auch schon eine Kiste mit den Sachen schicken können, die wir am Anfang brauchen. Wir haben anscheinend eine hübsche Bleibe in einem hübschen Ort gefunden. Und natürlich Superwoman. Ich habe keine Ahnung wie ich mich dafür je angemessen bei ihr bedanken kann!
Hilfsbereite Nachmieter
Die Aussicht auf die amerikanische Wohnung hob meine Stimmung bereits ungemein, aber auch in unserem alten Haus fügt sich gerade alles auf für uns vorteilhafte Weise. Ursprünglich sollte ein von uns gebuchter Maler alle Zimmer am 26. Mai streichen (das Streichen war im Mietvertrag vereinbart). Doch unser Nachmieter ist zufälligerweise Malermeister und übernimmt diese Arbeit für überschaubares Geld und zwar erst nachdem wir raus sind. Er hat uns außerdem angeboten, unsere Matratzen auf dem Sperrmüll zu entsorgen, so dass wir theoretisch bis zum 31.05. hier bleiben können. Statt uns wie geplant 3-4 Tage vor Abflug bei Freunden einzuquartieren, weil alles frisch gestrichen ist und wir keine Matratzen mehr haben. Brillant, oder?
Obwohl sich das Haus allmählich lichtet, entsteht irgendwie immer mehr Chaos – hauptsächlich weil wir die meisten Schränke und Regale schon verkauft haben. Hier stehen aktuell vier große Kartons, in denen ich alles sammle, was wir nach New York per Post verschicken. Unsere vier Koffer, in denen sich die Sachen befinden, die wir direkt mitnehmen. Und hier und da ein paar olle Kellerregale, die den restlichen Kleinkram tragen, den ich nun noch loswerden muss.
Das größte Problem an unserer Situation ist, dass wir nicht einfach alles verkaufen und weggeben können, weil wir einige Sachen (wie die Küche, Waschmaschine, Kühlschrank, usw.) noch benötigen. Glücklicherweise haben wir für die meisten dieser Dinge Käufer gefunden, die den Kram erst am 29./30. Mai abholen kommen. Nur wenige Stücke wie unsere heiß geliebte Couch und unseren Esstisch sind wir noch nicht losgeworden. Aber wir haben ja noch zwei Wochen…
Kraft der Steine
Emotional bin ich nach wie vor das Fähnchen im Wind. In einem Moment sitze ich guter Dinge im Auto – die warme Sonne und den Fahrtwind genießend – während ich davon träume wie ich in einem alten Ford den Highway runterbrettere und die „wilde Natur“ Amerikas erkunde. Im nächsten Moment nimmt mich eine gute Freundin zum Abschied in die Arme und ich kämpfe wieder mit den Tränen.
Obwohl ich eigentlich nicht sonderlich spirituell bin, habe ich mir neulich ein Armband aus kleinen Citrin-Steinchen (meinem Geburtsstein) besorgt. Als Glücksbringer sozusagen. Ich wollte mir schon seit langer Zeit Heilsteine zulegen, aber in der aktuellen Situation habe ich sogar das Gefühl solch einen „Kraftspender“ zu brauchen. Ob das Armband wirklich hilft, ist fraglich, aber es zu tragen, tut unfassbar gut.
Sommercamp
Was dem Mädchen hoffentlich gut tut, ist das 6-wöchige Sommercamp, das ich neulich für sie gebucht habe. Übrigens ohne zu wissen, ob wir eine Wohnung finden und wohin es uns verschlägt, weil nur noch 3 Plätz frei waren… Vom 05. Juli bis zum 11. August wird sie von 9 Uhr bis 15 Uhr mit Gleichaltrigen aus der Gegend von Larchmont spielen, baden und hoffentlich jede Menge Spaß haben. Der Hintergedanke war ja, dass sie so spielerisch schon ein paar Kontakte knüpft und etwas Englisch lernt. Von unserer Wohnung aus ist es in ca. 15 Minuten mit dem Rad zu erreichen. Das passt nun also auch.
Schlussgedanke
Ich bin einfach nur fasziniert und begeistert von der digitalen Welt, in der wir leben und dass sie uns so vieles erleichtert. Wie hätte unsere Auswanderung wohl vor 15 Jahren ausgesehen, als wir uns noch nicht via Google Street View jeden Fleck auf der Erde anschauen konnten oder Kontakte übers Internet knüpfen? Fast alles von Deutschland aus regeln zu können, ist für mich ungemein bequem und beruhigend. Beruhigend ist auch, dass ich bereits fast alles regeln konnte.