Auswandern in drei Monaten

Kathrin New York 15 Comments

Ich bin hundemüde, aber ausnahmsweise nicht wegen der Kinder. Seit dem uns das O-1 Visum für die USA vor 2,5 Wochen schriftlich von der amerikanischen Botschaft bewilligt wurde, schlafe ich schlecht und wenig. In mir brodelt eine wilde Mischung aus Vorfreude, Abenteuerlust, Sorgen und Ängsten. Der finale Termin beim amerikanischen Konsulat in Frankfurt gestern Morgen um acht Uhr löste dann nochmals eine Welle an großen Emotionen aus…

(Wer neu hier ist und interessiert, kann unter New York mehr über unsere Ausreisegründe und -pläne nachlesen.)

Interview beim US-Generalkonsulat in Frankfurt

Nach einem Sicherheitscheck ähnlich wie am Flughafen, einer knappen Stunde Wartezeit und zwei Kontrollgesprächen (jeweils mit Abgabe der Fingerabdrücke), begann die Befragung. Wie Leserin Franziska mich schon beruhigt hatte, war dieses Interview nur reine Formsache. Trotzdem waren wir ziemlich erleichtert, als der amerikanische Beamte abschließend sagte: „You’ll receive your passports with the visa within one week. That’s it.“

Als wir wieder vor der Botschaft standen, verdonnerte ich Thomas zu einem Selfie von diesem für uns historischen Moment. Ich grinste und freute mich. Dann wurde ich nachdenklich.

Auswandern-Nestling

Die Zeit rennt

Unsere Wohnung hatten wir bereits Ende Februar gekündigt, als wir den schriftlichen Bescheid im E-Mail-Postfach fanden. Nun bleiben uns nur noch knapp 11 Wochen, um die Auswanderung über die Bühne zu bringen, denn Ende Mai läuft unser Mietvertrag aus.

Ich hatte zwar schon begonnen unseren Krempel zu sortieren und zu verkaufen und Thomas hatte To-Do-Listen erstellt und die ersten Termine (z.B. mit den Spediteuren) organisiert. Aber es wartet noch so unfassbar viel Arbeit auf uns, dass ich mich gerade ziemlich überfordert fühle. Und extrem unruhig – aus Sorge, dass wir nicht alles rechtzeitig schaffen. Mal ganz abgesehen vom emotionalen Aspekt…

Gefühlschaos

Gestern Mittag ließ ich zum ersten Mal meinen Tränen freien Lauf. Eine befreundete Mutter rief mich an, weil sie ein Überraschungsfotoalbum für unser Mädchen plant – mit ihren zwei besten Kindergartenfreundinnen drin. Ob ich Fotos zusteuern könne, fragte sie mich. Da sah ich das Mädchen in New York wie sie wehmütig durch dieses Album blättert und begann zu weinen. Wir lassen gute Freunde zurück und Familie. Das schmerzt.

Eine Stunde später genoss ich die warme Frühlingssonne mit den Nestlingen auf dem Spielplatz und war wieder voller Zuversicht und guter Dinge. So wird es mir in den nächsten Monaten sicherlich öfter gehen. Von Himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt und das im raschen Wechsel.

Nicht denken! Machen!

Viel Zeit zum Nachdenken bleibt mir aber gerade nicht. Es ist so viel zu tun, dass ich manchmal in jede Etage unseres Hauses flitze und mich fünfmal im Kreise drehe. Etwas in die Hand nehme und wieder fallen lasse. Ganz einfach, weil ich keine Ahnung habe, wo ich zuerst anfangen soll.

Aber im Grunde weiß ich, dass wir so gut organisiert sind, dass wir das packen. So wie immer. Die Unruhe bleibt trotzdem. Auch wie immer bei solchen großen Abenteuern.

Warum machst Du das?

Viele haben mich gefragt, warum ich das mache. Warum ich Thomas nicht alleine gehen lasse oder er mir zuliebe auf das Auswandern verzichtet. Eine rationale Antwort habe ich darauf nicht. Ich weiß nur, dass ich die Bedeutung und Tiefe seines Herzenswunsches nachempfinden kann. Und ihn dabei gerne unterstützen will. Nicht nur weil ich ihn liebe und als Partner sehr schätze, sondern auch weil ich wahrscheinlich genau der richtige „Typ“ für solche Aktionen bin. Weil ich diesen Schicksalswink als Chance für uns alle verstehe. Denn aus irgendeinem Grund öffnet sich diese Tür gerade und wir wären verrückt nicht hindurchzugehen.

Außerdem war ich nach der Schule ein Jahr in Australien (Work and Travel) und verbrachte für meinen Master zwei Jahre in York (GB). Obwohl ich selbst nie das Bedürfnis verspürte, im Ausland zu leben, habe ich mir diesen Schritt gut überlegt. Ich weiß sehr wohl, was auf uns zukommt und dass wir noch öfter heulend am Küchentisch sitzen werden, egal wie bunt das Leben in New York auch werden mag. Dennoch starte ich gespannt und mit gestrafften Schultern in diese Reise. 

Wie finde ich bloß eine gute Schule?

Die größte Herausforderung aktuell stellt für mich das Finden einer guten Schule dar. Am liebsten würde ich das Mädchen in eine freie demokratische Einrichtung stecken (hatte ich mir auch für Deutschland überlegt – siehe „Sudbury Schulen„). Allerdings kostet so eine (ich liebäugle mit Pono) $26.000 im Jahr!! Mich reizt das selbstbestimmte Konzept ohne Leistungsdruck (ohne Zensuren, Hausaufgaben usw.) und das Vertrauen in die Kinder, dass sie Lernen, weil sie von Natur aus neugierig und wissbegierig sind. Das gute Essen, die vielen Ausflüge und das Wertlegen auf ein respektvolles Miteinander. Dafür müssten wir dann allerdings den „Lebenskosten-Gürtel“ verdammt eng schnallen.

Ich wünschte, es gäbe ein kostengünstigeres, „public“ Pendant, doch öffentliche Schulen gibt es wie Sand am Meer. Finde ich die Stecknadel im Heuhaufen? Oder müssen wir tief in die Tasche greifen?

Was mir ebenfalls Magenschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass alle Kinder bei Kindergarten und Schuleintritt durchgeimpft sein müssen…

Flug und temporäre Unterkunft

Aber wir konzentrieren uns jetzt zunächst auf das Buchen eines Fluges und unserer vorübergehenden Unterkunft. Wir nehmen für die ersten paar Wochen wieder eine Bleibe über Airbnb, von der aus wir uns dann vor Ort für unser neues zu Hause entscheiden. Das ist uns wesentlich lieber, als die Katze im Sack via Internet zu kaufen.

Kisten statt Container

Außerdem miste ich weiterhin großzügig aus, denn wir haben uns entschieden lediglich ein paar Kartons mitzunehmen. Bis auf unsere riesige Wohnzimmercouch und ein paar gute Elektrogeräte (die wir ohnehin nicht mitnehmen können) besitzen wir nur Ikeamöbel und –regale von geringem Wert. Da lohnt es sich nicht einen Container zu mieten, der mehrere tausend Euro kostet. Das Geld investieren wir dann lieber in eine neue Ikea-Ausstattung 🙂

Was noch?

Ich versuche also gerade das Umzugs- und Organisationschaos hier irgendwie aufzudröseln. Schritt für Schritt die anstehenden Baustellen wie Zahnarztbesuche (kostet ein Vermögen in New York) oder das Besorgen von Sprachlern-Equipment für das Mädchen (um sie auf die Schule vorzubereiten) abzuarbeiten.  

Und obwohl ich mich gelegentlich nur ins Bett verkriechen und losheulen möchte, bin ich überwiegend positiv und zuversichtlich gestimmt. Die Kinder sind großartig und machen sicherlich alles mit, solange sie unsere Rückendeckung spüren. Thomas und ich, wir haben bislang immer eine Lösung für unsere Probleme gefunden und warum sollte sich das ausgerechnet jetzt ändern?

Belastungsprobe

Doch machen wir uns nix vor, die bevorstehenden Wochen werden so chaotisch und anstrengend werden wie nie. Ich rechne zumindest mit ein paar handfesten Auseinandersetzungen (*lach). Aber turbulent waren auch die Monate jeweils nach den Geburten der Nestlinge. Thomas und ich, wir sind großartig im Fetzen und Meister im Versöhnen. Das haben wir schon so oft geübt, dass das sicher auch auf amerikanischem Boden gelingt 🙂

Was mir wichtig ist, darf ich behalten

Ich habe schon oft in meinem Leben den Wohnort gewechselt und komplett von Null angefangen. In Australien lebte ich sogar ein Jahr lang ausschließlich aus meinem Reiserucksack. Es fällt mir leicht, mich von materiellen Dingen zu trennen und Kontakte zu knüpfen. Mal schauen wie gut mir letzteres in New York gelingt.

Doch egal, was in den nächsten Monaten passiert, es ist gut zu wissen, dass ich das, was mir am wichtigsten ist, mitnehmen darf. Dass ich dieses Abenteuer nicht wie sonst ganz alleine, sondern mit Thomas und meinen Nestlingen – mit den mir liebsten Menschen an meiner Seite – antrete. Und dass ich weiterhin meinen dritten Nestling – dieses Blog – hegen darf. Denn ich kann ja von jedem Fleck auf der Welt aus weiter schreiben und das wird mir hundertprozentig beim Ankommen, Verarbeiten und Kontakt zur Heimat halten helfen.

Eure Kathrin

 

 

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